Im Rahmen eines „open space“ im Herbst 2016 hatten die Eltern der Montessori.coop die Gelegenheit, vier ehemalige Schülerinnen zu interviewen: Emma, Anna, Charlotte und Alena. Emma und Anna besuchen beide die Maturaklasse einer Oberschule, Alena studiert italienische Rechtswissenschaften und klassischen Gesang an der Universität Innsbruck und Charlotte besucht die 2. klasse des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums in Bozen.
Wie war der Übergang von der Montessori Schule zu der öffentlichen Oberschule?
Emma: „Es war nicht schwer. Ich hatte meine Schwester als Vorbild. Das Wichtigste war die Klasse: wenn die Klassengemeinschaft passt, wenn man da nette Freunde findet, dann passt alles. Am Anfang war es stressig, wenn man vor einer Schularbeit stand, doch nach den ersten Monaten versteht man, wie man das am Besten angeht. Ich konnte es nicht erwarten, Hausaufgaben zu bekommen. Das Schulsystem selbst verstehe ich nicht wirklich. Es ist einfach so.“
Charlotte: „Vom Stoff her war der Übergang kein Problem, das Verhältnis mit den Lehrern war da schon schwieriger.“
Alena: „Ich war gut innerlich vorbereitet. Ich hab mir erzählen lassen, wie das sein wird. Bei mir hat es gut funktioniert. Ich war bereit in die Welt hinauszugehen, ein anderes System zu lernen. Ich habe die Montessori Schule gerne besucht, wir hatten eine schöne Kindheit, wir waren zentriert. Die Montessori Schule war so fein, so „daheim“. Zum Glück gab es keine Montessori Oberschule, sonst hätte ich weitergemacht.“
Welche Erfahrungen habt ihr mit Lehrern in der Oberstufe?
Emma: „Ich hatte einen Lehrer, der mit Montessori System gearbeitet hat. Er legte Wert darauf, in Beziehung mit den Schülern zu treten. Es war cool, doch die anderen Schüler waren es nicht gewohnt. Anstatt eine frei ausgewählte Thematik zu bearbeiten, haben sie für andere Fächer gelernt.
Charlotte: „Das Problem ist, dass man mit den Lehrern nicht auf gleicher Ebene ist.
Es ist eine Hierarchie, in der die Lehrer über dir stehen. Das schlimmste von allem ist die Angst vor den Professoren. Ich habe letztes Jahr Klasse gewechselt, weil ich viele Konflikte mit den Lehrern hatte. Diese Konflikte hatte ich, weil ich mich gewehrt habe, wenn die Lehrer respektlos mit den Schülern umgegangen sind. Zum Beispiel hatte ein Schüler das geforderte Buch noch nicht gekauft, „Es Bauern merkt enkjo eh nix!“ war der Spruch mit dem der Lehrer das kommentiert hat. Doch das Bauer-Sein hat mit dem vergessenen Buch ja gar nichts zu tun!“
Emma: „Professoren haben immer Recht. Sie stehen über dir. „Deine Zeichnung ist nicht gut genug “ hieß es. Aber wir tun eben, was wir können, wir sind zum Lernen da. Soll man das nicht sagen?“
Charlotte: „Wenn man zu den Lehrern etwas sagt spürt man, dass die Professoren böse werden.“
Alena: „Ich hatte eine sehr gute Beziehung mit meinem Musiklehrer. Einige Lehrer waren entgegenkommend…“
Anna: „Bei mir war es auch so.“
Alena: „…beim Deutschlehrer dagegen war es schwer. Am Anfang habe ich mich mit meiner Deutschlehrerin gut verstanden. Dann kam ein anderer Deutschlehrer. Ich habe ihn kritisiert, ich bin mit seiner Art des Unterrichtens und seiner Haltung gegenüber den Schülern nicht zurechtgekommen. Er hat uns nicht als gleichwertige Menschen behandelt. Seitdem ich mit ihm gesprochen habe, respektieren wir uns gegenseitig. Er fragt mich, ob es passt, wie er es macht.“
Was hast du an ihm kritisiert? Und wie hast du deine Kritik ausgedrückt?
Alena: „Dieser Deutschlehrer war sehr unpersönlich und oberfl ächlich. Ich hab ihn nicht böswillig kritisiert, und habe immer versucht mich korrekt auszudrücken, ohne zu schimpfen, zu urteilen, oder zu beleidigen, sondern ich bin von mir ausgegangen. Ich habe gesagt: „Ich mag es nicht, wenn Sie uns Schüler beleidigen und zum Weinen bringen“.
Emma: „Die Schüler kommen schon mit der Idee, dass man mit Lehrern keine Beziehung haben kann und soll.“
Charlotte: „Ich habe die Oberschule eigentlich mit einer anderen Einstellung begonnen, doch dann habe ich resigniert.“
Was gefällt euch an der Oberschule?
Charlotte: „Die Schule ist ein Treffpunkt. Die Klasse ist wichtig, um Freunde in deinem Alter zu finden.“
Emma: „Mir gefällt es gut in die Schule zu gehen, meine Klasse ist super… das System mag ich nicht…“
Alena: „Ich habe es genossen, in der Oberschule viele Gleichaltrige zu haben.“
Was würdest du in der Oberschule anders machen?
Emma: „Von sich auslernen, frei.“
Charlotte: „Freiarbeit soll von Anfang an geübt werden. Jetzt in der Oberschule geht das nicht mehr. Keiner würde das tun.“
Emma: „Was ich in der Montessori Schule gelernt habe, vergesse ich nicht mehr. In der Oberschule lernt man für den Test, dann vergisst man es. In der Schule fehlt das Aktuelle. Auch wie man mitalltäglichen Dinge umgeht – alleine zu leben, Bank, Verdienen, (z.B.: wie viel muss ich verdienen damit ich leben kann?). Schade, das wäre wichtig.“
Alena: „Ich hätte lieber mehr Wirtschaft und politische Fächer für die Allgemeinbildung gehabt. Sonst bin ich mit der Oberschule, die ich besucht habe, total zufrieden.“
Anna: „Ich würde eine andere Oberschule wählen oder als Privatistin lernen. In der Oberschule wird man zur Abhängigkeit erzogen. Die Lehrer trauen den Schülern nichts zu, nicht einmal eine Arbeit zu schreiben!“
Alena, Anna: „Wir waren gewöhnt, uns selber zu organisieren. Wir haben das Gefühl, in der Oberschule Zeit zu verschwenden.“
Anna: „Schule ist Lernen für Faule. Man bekommt alles von den Lehrern, man muss sich nicht darum kümmern, woher die Informationen kommen. Ich habe mich abgegrenzt. Außerhalb der Schule interessiere ich mich und vertiefe, in der Schule mache ich es wie die anderen.“
Alena: „Mir fehlt der praktische Teil von Kunst. Wir hatten in der Oberschule nur Geschichte der Kunst. Kunst ist mein Lieblingsfach.“
Was hat dir in der Mon- tessori Schule gefehlt?
Emma: „Leute in meinem Alter. Ich habe es vermisst, andere Leute außerhalb der Schule als Freunde zu haben. In Eppan treffe ich mich nicht mit den Dorfleuten. Dafür treffe ich mich mit anderen Menschen, die ich mag. Ich hätte mehr Kurse machen sollen, um ins Dorfleben reinzukommen. Doch ich war immer so schüchtern in den Kursen.“
Alena: „Freunde in meinem Dorf. Das Zentrum des sozialen Dorflebens war die Dorfschule.“
Charlotte: „Mir haben auch die Gleichaltrigen in der Schule gefehlt. Außerhalb der Schule habe ich mich schon integriert gefühlt. Andere Kurse zu besuchen hat geholfen.“
Anna: „Nein, andere Menschen haben mir in der Montessori Schule nicht gefehlt.“
Wie war das selbständige Lernen in der Montessori Schule?
Anna, Alena: „Wir hatten eine Zeit, in der wir täglich unsere Plastikpferde aufgestellt und sie beobachtet haben. Wir waren überzeugt, dass sie sich bewegen würden, wenn wir wegschauen. Wir haben das stundenlang gemacht, über Wochen. Wir haben die Strecken zwischen den Pferden dauernd nachgemessen, um sicher zu sein, dass sie noch auf demselben Fleck stehen.“
Alena: „Das Pferdespielen
hat mir die Disziplin beigebracht. Ordentlich und lange arbeiten, dranbleiben.“
Anna: „Ich habe mich 2-3 Monate lang mit Geographie Puzzles beschäftigt. Ich konnte mir so viel Zeit nehmen, wie ich wollte.“
Alena: „Die soziale Kompetenz, die ich in der Montessori Schule gelernt habe, habe ich in der Schule und Daheim umsetzen können. Die Montessori Schule ist wie eine Familie: die Sachen werden demokratisch besprochen und versucht zu lösen. In Vergleich dazu sind meine Freunde im sozialen Bereich weniger behutsam.“
Habt ihr in der Montessori Schule je eine Krise gehabt?
Anna: „Ja, im letzten Jahr wegen der Prüfung.“
Alena: „Nein, es wird nie langweilig, man kann so viele Sachen machen.“
Charlotte: „Ich war die ersten zwei Jahre an einer öffentlichen Volksschule. Als ich dann in die Montessori Schule kam war es ein Trauma. Ich hab ein Jahr lang gar nichts gemacht. Dann habe ich durch das Vorbild der älteren den Ansporn bekommen, selbst zu lernen.“
Hattet ihr je das Gefühl, zu wenig zu können?
Anna, Alena: „Nein“
Alena: „Als ich die Montessori Schule besucht habe, hatte ich das Gefühl, dass ich besser und schneller als andere lesen konnte. Einige Sachen haben mich mehr interessiert, und ich habe sie besser gekonnt. In der Oberschule haben wir in Mathe komplizierte Sachen durchgenommen, aber nicht die Grundlagen wie Kopfrechnen. Viele in der Klasse konnten eigentlich noch nicht Kopfrechnen. Dafür fehlten mir andere Teile der Mathematik, die mich einfach weniger interessiert haben.“
Emma: „Am Anfang habe ich versucht, alles, was die Lehrer
gesagt haben, zu lernen. Dann habe ich das System Schwindelzettel zu beherrschen
gelernt.“
Charlotte: „Am Anfang habe ich gelernt, was ich wichtig für mich gefunden habe. Im Test ist dann etwas komplett Anderes gekommen.“
Was hat dir in der Montessori Schule am besten gefallen?
Emma: „Die Gemeinschaft . Man hat keine Angst, man darf alles sagen, auch Außerschulisches. Nur das zu lernen, was mich interessiert. Das bleibt einem dann auch.“
Charlotte: „Das Familiäre. Mit jedem Mensch hat man eine Beziehung. Man spornt sich gegenseitig zum Lernen an.“
Alena: „Die freie Zeitverfügung. Selber für sich verantwortlich zu sein. Es war auch toll, gemischte Altersgruppen zu haben. Ich hab mich in der Schule „daheim“ gefühlt.“
Emma: „Ich hatt e in der Montessori Schule nie das Gefühl, dass ich mich verstellen muss, um den anderen zu gefallen. In der Oberschule hatte ich das Gefühl schon viel eher, besonders mit den Jungs, mit denen ich weniger Erfahrung hatte.“
Charlotte: „Auch wenn es wenige Menschen gab hat, man doch genug Abwechslung gehabt.“
notiert und Zusammengefasst von Anna Nesler