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Vier Fragen an: RUTH GASSER

Ruth, Mutter von 2 Kindern, Lehrerin, montessori Begleiterin im Kindergarten und seit 2021/22 Schulleiterin der montessori.coop.

In unserer Rubrik „4 Fragen an …“ stellen wir fortan verschiedene Akteuere der montessori.coop vor, die durch ihre Erzählungen mithelfen, das Bild unserer Sozialgenossenschaft zu schärfen. 

Eva Kaufman

Liebe Ruth, was verbindet dich mit der Schule am Kohlern?

Ruth: Oh, sehr viel! Ich erinnere mich an damals, es ist einige Jahre her, da gab es noch die Pfütze, ein von Eltern gegründeter Verein mit Sitz in Terlan, der sich Kleinkinderbetreuung zur Aufgabe gemacht hatte. In der Zeitung wurde eine Anzeige geschaltet und so wurde ich darauf aufmerksam. Denn mir war klar, dass die Art und Weise, wie in der staatlichen Schule unterrichtet wurde, nicht ganz das Meine war. Dort konnte ich den Kindern nicht so begegnen, wie ich es wollte: ich hatte das Gefühl nie allen gerecht werden zu können – nicht den Kindern, nicht den Eltern und auch nicht mir selber.

Und so kam es, dass ich mich bei der Pfütze meldete. Zu Beginn habe ich noch im Kindergarten mitgearbeitet. Zwei Jahre später ist dann die Montessori Schule gegründet worden. Da habe ich gemerkt – das ist es jetzt! Und nach drei Jahren sind wir dann auf den Kohlern gezogen. Als ich schwanger wurde, arbeitete ich noch ein halbes Jahr im Kindergarten und blieb dann einige Jahre bei meinen Kindern zu Hause. 

Später habe ich in Lichtenstern am Ritten den Waldkindergarten mit gegründet. Auch das war eine intensive und schöne Zeit. Nach Corona wollte ich dann eine Pause von Schule und Schulgründungen *lach*. Aber es kam anders, denn Kamila rief mich an, um zu fragen, ob ich zurück auf den Kohlern kommen möchte. Und das habe ich dann getan. Es war ein bisschen wie nach Hause kommen für mich.

Wie bist du eigentlich zur Montessori Lehrerin oder besser Begleiterin geworden?

Ruth: Oh, ich kann mich mit dem Wort Lehrerin sehr gut identifizieren. Aber auch mit dem Wort Begleiterin. Dennoch ist es mir wichtig dazu zu sagen, dass ich auch von den Kindern lerne.

Zu meinem „Werdegang“ möchte ich erzählen, dass Rebecca und Maurizio Wild mich sehr beeinflusst haben. Vielleicht noch mehr als Maria Montessori selbst, denn die beiden sagen von sich, dass sie die Montessori Pädagogik weiterentwickelt haben. Sie haben mehrere Bücher geschrieben „Sein zum Erziehen“, „Erziehen zum Sein“ sowie „Freiheit und Grenzen“. Maurizio sagt „Man kann im Leben nichts richtig und nichts falsch machen. Man kann nur tun, und daraus lernen“. Und das ist tatsächlich irgendwie mein Leitspruch.

Es geht nicht darum „perfekt“ mit Kindern umzugehen. Dieser Anspruch ist zu hoch und wenn wir hohe Ansprüche an uns haben, erzeugen wir damit viel Druck. Wir möchten dann dass Kinder „gelungen sind“ oder „funktionieren“ sollen. Und dann folgt unweigerlich der Frust aus der eigenen Erwartung. Ich denke, dass das berühmte „Lernen aus Fehlern“ viel zu wenig gelebt wird.

Was ich noch wichtig finde ist, den Kindern die Zeit zu geben, um für sich zu verstehen „was will ich?“. Sich selbst fühlen und verstehen ist essentiell und wichtig. Ich frage mich dann immer: wie kann ich mich diesem Ziel nähern? Wie kann ich es den Kindern ermöglichen, diese Fragen zu beantworten? Ich sehe es daher als meine Aufgabe „Möglichkeiten“ dafür zu schaffen, oder um etwas aufzugreifen und zu vertiefen.

Als ich zur Montessori Lehrerin wurde, konnte ich diese „Möglichkeiten“ dann gestalten und ich konnte den Kindern Zeit geben, ohne einen fixen Plan zu verfolgen; so hatte ich das Gefühl, dass ich gut auf die Kinder eingehen konnte. Ein Plan zwängt mich eher ein. Auch wenn ein Gerüst hilfreich ist, so fällt es mir leichter zu sehen, was gerade da ist.

Was fasziniert dich an der Montessori Pädagogik?

Ruth: Ich komme wieder zum Faktor Zeit zurück. Zeit geben. Es gibt manchmal dieses Verständnis, dass es nur ein Zeitfenster gibt. Und das engt mich wieder ein. So verstehe ich es nicht. Das Hinschauen, was brauchen die Kinder und Ihnen das dann zu geben, um es weiter zu entwickeln, das finde ich entscheidend. Ich denke, dass man in der Montessori Pädagogik Vieles anbieten kann.

Bei uns ist die Gewichtung einfach ganz anders, als in einer staatlichen Schule. Dort müssen Lerninhalte in die Kinder gebracht werden. Bei uns werden die Kinder zu den Inhalten gebracht.

Manche Kinder brauchen auch einen Rahmen, den wir allerdings individuell schaffen können. Das mag ich an der Montessori Pädagogik sehr.

Ich finde es wichtig, das Lernen nicht in einzelnen Fächern abzuhaken, sondern Inhalte zu verbinden, um auch Zusammenhänge zu verstehen. Und genau dieses „fächerübergreifende“, assoziative Denken und Lernen hat so viel mehr Potenzial, dass ich oft staune, dass Schulen noch immer so funktionieren, wie sie funktionieren.

Die Herausforderung liegt tatsächlich darin, nichts zu übersehen; dass man alle Kinder und alle Bereiche im Blick hat – aber genau das sehe ich als meine und unsere Aufgabe.

Was denkst du, brauchen Kinder heute?

Ruth:  Damals – zur Zeit, Maria Montessoris – haben Sie Anregungen gebraucht. Wenn du mich heute fragst, würde ich sagen: sie brauchen es, zur Ruhe kommen zu dürfen, Zeit zu haben um ganz einfach Kind sein zu dürfen. Das heißt für mich auch, dass Kinder gewisse Verantwortung nicht übernehmen müssen.

Heutzutage werden Kinder oft durch zu viele Angebote durch ihre Kindheit gehetzt. Weniger wäre mehr. Langeweile tut gut, da sie dann innehalten können und lernen zu spüren, was sie wollen. Daher: die Kinder einfach sein lassen und Zeit für sich selber haben lassen. Das ist wichtig.

Aber heute ist alles, was länger dauert, ganz schnell negativ besetzt. Etwas aushalten können ist aber auch wichtig. Heute werden den Kindern gern alle Steine aus dem Weg geräumt. Da bekommen sie dann das Gefühl, „das schaffe ich eh nicht!“. Und das wollen wir Eltern ja eigentlich gar nicht.

Vielen Dank auch dir liebe Ruth, für das spannende Interview und deine Zeit.

Ruth: Danke für die Fragen. Es schafft wieder Bewusstsein für das Wesentliche, was ich tue *lächelt*

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