Eine Woche vor der Eingewöhnung meiner Tochter in den Naturkindergarten kommen bei mir große Zweifel auf. War das eine gute Entscheidung? Die Nacht vorher kann ich nicht schlafen, während Aurelia selig schlummert. Am Montag früh bin ich sehr nervös. Ich packe die Kinder in den Radelanhänger, die Strecke zur Kohlerer Seilbahn ist nicht angenehm zu fahren. Wir werden freundlich begrüßt. Ich bin schon oft nach Kohlern gefahren, jedes Mal hat sich mein Herz dort beruhigt. Auch diesmal ist es so, die Stadt entfernt sich, das Gewusel, die Autos, der Lärm. Die Menschen, ob groß oder klein, wirken oben innerlich friedlich. Vom Waldplatz geht eine Ruhe aus, die mich sofort erfasst und auch ich spüre meinen Atem wieder, werde langsamer, komme immer mehr an. Den Kindern wird in die Augen geschaut, aufmerksam zugehört. Sie werden nicht zu Dingen überredet, die sie nicht tun wollen, sie werden nicht gehetzt, nicht angetrieben. Ihre Worte zählen. Aurelia ist sehr müde nach ihrem ersten Tag, aber sehr erfüllt.
Am nächsten Tag fährt sich der Radweg schon etwas leichter. Die Gondel lässt mich erneut der Stadt entkommen, in der ich ein Leben führe, in dem es so oft um Zeit geht, darum, Familie und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bekommen. Der Naturkindergarten konfrontiert mich mit unserer westlichen Gesellschaft und ihren Werten und stellt ihr die Entschleunigung ziemlich direkt entgegen.
Aurelia ist immer noch müde, aber sie freut sich jeden Morgen und ist enttäuscht, wenn Wochenende ist. Schon sehr bald ist sie angekommen im Kindergarten.
Die Eingewöhnung ist eine besondere Zeit. Für Aurelia, für die etwas ganz Neues beginnt, aber auch für uns als Familie. Für mich bedeutet es auch die Eingewöhnung in eine neue Gemeinschaft, aber auch in ein Leben, das ich schon sehr lange nicht mehr geführt habe. Die Nähe zu den Jahreszeiten, spielerische Unbefangenheit, das Erkunden der eigenen Fähigkeiten. Kein Zweifel: es war genau die richtige Entscheidung. Aber ich weiß auch: das ist ein Luxus, den sich nicht alle Menschen für ihre Kinder leisten können. Nicht alle haben die finanziellen und zeitlichen Ressourcen dafür. Wir können also froh und dankbar sein, dass unsere Kindern den Naturkindergarten besuchen und ihre ganz besonderen Erfahrungen dort machen können.